Aus einem Zeitungsinterview über den schon in der vergangenen Woche drohenden Streik im Öffentlichen Nahverkehr wurde am Samstag eine republikweite Debatte über den Umgang mit Homosexuellen. Der Chef der Gewerkschaften für Dienstleitungen und Verkehr, Jaromír Dušek, hat sich im Gespräch mit der Lidové noviny mal so richtig Luft gemacht, als er erklärte: Die Führung der Tschechischen Bahnen werde von Homosexuellen beherrscht. Skandalös, so die Reaktionen von allen Seiten. Martina Schneibergová sprach mit Christian Rühmkorf, der den Fall verfolgt hat.
Martina Schneibergová, Christian Rühmkorf, ČRo 7 Radio Praha, 8. 3. 2010
Christian, was hat Gewerkschaftsboss Jaromír Dušek eigentlich genau gesagt?
„Gewerkschaftsfunktionär Dušek wurde in diesem Zeitungsgespräch gefragt, was er vom Chef der Tschechischen Bahnen, Petr Žaluda, halte. Ja und da platzte es auch schon im zweiten Satz aus Dušek heraus: Der homosexuelle Žaluda hielte es mit dem homosexuellen Verkehrsminister Slamečka, und Slamečka wiederum hätte Verbindung zum homosexuellen Chef des Regierungsamtes, Novak. Summa summarum seien rund 20 homosexuelle Mitarbeiter ins Verkehrsministerium geholt worden und so an die 30 in das Management der Tschechischen Bahnen. Die Bahnen würden, so Dušek, ´absolut beherrscht von diesen Leuten´. Frei von der Leber gab er dann noch zu Protokoll, er habe auf den Fluren des Bahn-Managements Angst, sich nach einem Bleistift zu bücken.“
Das klingt nach einer absoluten Entgleisung. Hat der Gewerkschaftsboss seine Worte schon zurückgenommen und sich entschuldigt?
„Nein, im Gegenteil. Dušek hat sogar später noch nachgelegt und seine Worte gerechtfertigt. Fähige Fachleute müssten das Management verlassen, damit junge Männer sie ersetzen könnten, deren einzige Qualifikation darin bestehe, dass sie homosexuell seien. Dušek hat allerdings gesagt, er habe nichts gegen Homosexuelle, sondern gegen homosexuelle Seilschaften.“
Wie reagierte die Öffentlichkeit, vor allem die Politik?
„Premier Fischer verurteilte umgehend das Hervorrufen einer homophoben Atmosphäre; er bezeichnete die Äußerungen Dušeks als die niedrigste und primitivste Form eines Angriffs auf die menschliche Würde. Alle Parlamentsparteien zogen quer durch die Bank mit Verurteilungen und Rücktrittforderungen nach. Die Grünen erwägen sogar eine Strafanzeige. Verkehrsminister Slamečka selbst, einer der Betroffenen also, sprach von Nazi-Rethorik. Und der gemeinsame Ausschuss der Gewerkschaftsverbände forderte Jaromír Dušek auf sich zu erklären. Der hat das aber vor kurzem abgelehnt. Wenn man die Stellungnahmen von Gewerkschaftsfunktionären liest, dann sieht es so aus, als hätte sich Dušek um Kopf und Kragen geredet. Er ist ja auch bekannt für ein ziemlich ungezügeltes Mundwerk. Es riecht nach zurücktreten oder zurückgetreten werden.“
Und die organisierten Homosexuellen? Wie haben sie reagiert?
„Der Schwulenaktivist Jiří Hromada sagte, die Äußerungen würden Tschechien in die Zeit vor der Samtenen Revolution zurückwerfen. Und die Schwulen- und Lesbenvereinigung STUD aus Brünn hat sich etwas Besonderes ausgedacht. Sie hat dem Gewerkschaftsboss einen Bleistift an einem langen Band zugeschickt, damit er sich in den Büros der Tschechischen Bahnen nicht bücken muss, falls ihm der Bleistift mal runterfällt.“